Kommentar
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978-3-8145-2004-9
Graf-Schlicker (Hrsg.), InsO - Kommentar zur Insolvenzordnung
2014
Artikel 10
Arbeitsvertrag
Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Arbeitsvertrag und auf das Arbeitsverhältnis gilt ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats, das auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist.
1Die in Art. 10 geregelte Sonderanknüpfung dient dem Schutz der Arbeitnehmer. Alle Fragen, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses und seinen Inhalt berühren, sollen sich auch in der Insolvenz nach dem für den Arbeitsvertrag maßgeblichen Recht richten. Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass Klagen gegen Kündigungen, die ein in einem anderen Mitgliedstaat bestellter Insolvenzverwalter in Deutschland ausgesprochen hat, keine Annexverfahren i. S. des Art. 3 sind, also nicht der Jurisdiktion des anderen Mitgliedstaats unterliegen.1
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3Nicht von Art. 10 erfasst ist dagegen die Behandlung der Entgeltansprüche der Arbeitnehmer in der Insolvenz. Wie die Forderungen der Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren geltend zu machen sind, ob sie durch ein Vorrecht geschützt sind und welchen Rang dieses Vorrecht ggf. erhalten soll, bestimmt sich nach dem Recht des Eröffnungsstaats (Erwägungsgrund 28).
4Ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld oder eine vergleichbare Insolvenzausfallsicherung hat, richtet sich dagegen weder nach dem Arbeitsvertragsstatut noch nach dem Recht des Eröffnungsstaates, sondern ausschließlich nach dem Recht des Staates, in dem die in Anspruch genommene Einrichtung zur Insolvenzausfallsicherung besteht.4 Nach Art. 8a der EU-Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers5 richtet sich der Anspruch auf Insolvenzgeld dabei gegen die Einrichtung desjenigen Mitgliedstaats, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet oder verrichtet hat.
5In Deutschland ist § 183 SGB III einschlägig, der in Absatz 1 Satz 2 einen Insolvenzgeldanspruch auch beim Vorliegen eines ausländischen Insolvenzereignisses vorvorsiehtsieht. Insolvenzereignis ist dabei jede als Insolvenzeröffnung i. S. von Art. 3 anzusehende Entscheidung, die Wirkungen in Deutschland hat. Ein ausländisches Partikularverfahren, dessen Wirkungen auf das ausländische Hoheitsgebiet und das dort belegene Vermögen des Schuldners beschränkt sind, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Liegt aber die ausländische Eröffnungsentscheidung hinsichtlich eines Hauptverfahrens vor, so ist allein diese für die Berechnung des Insolvenzgeldzeitraums maßgebend; die nachfolgende Eröffnung eines deutschen Sekundärverfahrens ist unbeachtlich.
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- 1)BAG, Urt. v. 20.9.2012 – 6 AZR 253/11, ZIP 2012, 2312 = NZI 2012, 1011, m. Anm. Hess, dazu EWiR 2013, 49 (Knof/Stütze).
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- 2)Vgl. zur Regelanknüpfung an den Arbeitsort und zur Anknüpfung an den Ort der vertragsschließenden Niederlassung bei mehreren Arbeitsorten in verschiedenen Ländern: LAG Hessen, Urt. v. 5.3.2007 – 17 Sa 122/06.
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- 3)Virgós/Schmit, Nr. 128; Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 10 EuInsVO Rz. 6.
- 4
- 4)Virgós/Schmit, Nr. 128; Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsy-Duursma/Kepplinger, EuInsVO, Art. 10 Rz. 14.
- 5
- 5)Richtlinie des Rates v. 20.10.1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (80/987/EWG), ABl. (EG) L 283/23, i. d. F. der Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.9.2002 zur Änderung der Richtlinie 80/987/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, ABl. (EG) L 270/10.